Kollektive und individuelle Trauer in der Antike. Neue Perspektiven an den Beispielen der attischen Epitaphien und von Ciceros Kindsverlust

Dissertation von Joshua Burgert, gemeldet am 01.04.2022
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Seminar für Griechsiche und Lateinische Philologie

Das übergeordnete Ziel dieses Dissertationsprojektes ist es, mit verschiedenen Trauermodellen neue Perspektiven zur Literarisierung von kollektiver und individueller Trauer in der Antike zu erarbeiten und die Anwendbarkeit solcher Modelle auf antike Texte zu validieren. Mit den attischen Epitaphien und Ciceros Kindsverlust wurden die prominentesten Beispiele der kollektiven und individuellen Trauer innerhalb der Antike gewählt.

In den attischen Epitaphien wurde jährlich um die im Krieg gefallenen athenischen Bürger getrauert. Hierfür wurden deren Taten und die der mythischen und historischen Vorfahren gelobt und die Hinterbliebenen ermutigt und getröstet. Obwohl der Epitaph als Genre eine feste Gliederung und häufig verwendete Topoi aufweist, sind die Epitaphien des Thukydides, des Lysias und Platons sehr unterschiedlich gestaltet. Um diese unterschiedliche Gestaltung und die damit verbundene Intention besser mit dem historischen Kontext verbinden zu können, sollen als neuer Interpretationsansatz die Arbeiten des Psychoanalytiker-Ehepaares Mitscherlich verwendet werden. Diese betrachteten die Zeit in und nach dem 2. Weltkrieg aus einer massenpsychologischen Perspektive. Dieser neue Interpretationsansatz wird durch weitere Theorien der Massenpsychologie, der Erinnerungskultur, der Narratologie und der Trauerforschung ergänzt. Neben den Epitaphien werden die Logos-Theorie von Gorgias, die Tragödien des Euripides und die Komödien des Aristophanes betrachtet.

Nach der Form der kollektiven Trauer soll im zweiten Teil der Dissertation die individuelle Trauer Ciceros nach dem Tod seiner Tochter Tullia im Fokus stehen. Hierfür bilden Ciceros Briefe an seinen Freund Atticus und das philosophische Werk Tusculanae Disputationes die Textgrundlage, da in diesen Werken sowohl eine emotionale Aktualisierung als auch Distanzierung zu finden sind. Diese beiden Pole und eine oszillierende Bewegung zwischen diesen gehören laut dem dualen Prozessmodell zum Trauerprozess und lassen sich narratologisch feststellen. Sowohl für Cicero als auch für Platon spielt die Philosophie als Trostmittel im Trauerprozess eine entscheidende Rolle. Diese Gemeinsamkeit soll durch einen Vergleich erarbeitet werden. Somit wird abschließend die Nähe zwischen Platons und Ciceros Trauerarbeit gezeigt.