Inscriptions communicating Legal Regulations on the Athenian Agora
Wie der Titel bereits andeutet, kommt in dieser grundsätzlich rechtshistorischen Betrachtung der Polis Athen der epigraphischen Evidenz eine entscheidende Rolle zu. Im Kern soll die Rolle von öffentlichen Rechtsinschriften bei der Vermittlung konkreter Handlungsanweisungen für die Teilnahme an hochkomplexen rechtlichen Alltagsgeschäfte des klassischen Athens und deren korrekte Navigation an die attischen Bürger untersucht werden. Dieser Betrachtung liegt dabei die bekannte Diskrepanz zwischen der Komplexität des antiken attischen Rechts und dessen Anwendung durch Laien, deren Eigeninitiative als die treibende Kraft hinter der Funktionalität dieses Systems identifiziert werden kann, zu Grunde. Bezüglich der epigraphischen Evidenz, besteht das Vorhaben, die theoretischen Grundlagen der Cluster-Forschung in Hamburg auf die Rechtsgeschichte Griechenlands anzuwenden: Dies umfasst das Verständnis klassischer attischer Rechtsinschriften als „Written Artefacts“, wodurch ein besonderes Augenmerk auf ihre Materialität sowie den Aufstellungskontext gelegt werden soll. Darüber hinaus wird auch ein Vergleich mit Quellen, deren enger Bezug zu ihnen erst in solch einer Betrachtung deutlich wird – wie beispielsweise Archivinhalte und nicht dauerhafte Inschriften auf leukomata – ermöglicht. Neben den epigraphischen Quellen stützt sich dieses Forschungsvorhaben weiter auf eine breite Basis traditioneller althistorischer Quellen – hervorzuheben sind die attischen Gerichtsredner –, um die Rolle der Rechtsinschriften in Athens Rechtssystem zu ergründen. Auch die archäologische Evidenz findet dabei Beachtung, da die Agora Athens als räumliche Begrenzung der näheren Quellenauswahl ausgewählt wurde und hinsichtlich ihrer baulichen Entwicklung und der damit einhergehenden Struktur als Aufstellungskontext der Rechtsinschriften untersucht werden soll.
Aufgrund der langen und produktiven Forschungs-Tradition um die griechische und speziell attische Rechtsgeschichte beinhaltet das Forschungsvorhaben schließlich eine neue Auseinandersetzung mit den bereits identifizierten maßgeblichen Charakteristika der Funktion des attischen Rechtssystems: Unteranderem wird sich so mit Fragen zur Literalität sowie zum Grad der Alphabetisierung der attischen Bürger, der Funktion des attischen Gerichtswesens sowie speziell mit der Rolle der Schriftlichkeit und der Rolle der Oralität für das attische Recht befasst. Dadurch wird sich erhofft, die genaue Funktion der attischen Rechtsinschriften besser verorten zu können.