Das politische Handeln von Hofeunuchen im Oströmischen Reich (395–636)
Dissertation von Christian Michel, gemeldet am 12.07.2021
Uni Duisburg-Essen, Historisches Institut

Eunuchen lassen sich als Phänomen über die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg in den unterschiedlichsten Kulturen greifen. Besonders bekannt sind Palasteunuchen, ­­die im Chinesischen Kaiserreich, dem Osmanischen Reich, dem Perserreich und dem Römischen Reich als Wächter des herrscherlichen Schlafgemachs und politische Berater in Spitzenpositionen aktiv waren. Als soziopolitischer Akteur stellen sie eine Besonderheit dar: in ihnen vereinen sich großer politischer Einfluss und Nähe zum autokratischen Herrscher mit sozialer Stigmatisierung, die extreme Unsicherheiten mit sich brachte.

Besonders im Oströmischen Reich der Spätantike gelang es den Hofeunuchen, die Politik zu beeinflussen. Durch ihre Entmannung stellten sie keine Gefahr für den Herrscher und seine Dynastie dar und waren damit besonders geeignet für die Aufgaben in seinem direkten Umfeld. Sie verdankten ihre herausgehobene Stellung jedoch allein dem Kaiser und waren ansonsten eine gesellschaftliche Randgruppe mit geringem Einfluss. Damit waren sie vom Phänomen der Kontingenz, das sich etwa in Form von Herrscherwechseln und politischen Krisen manifestieren konnte, in starkem Maße betroffen.

Wie die Eunuchen mit dieser prekären Position umgingen soll im Rahmen des Dissertationsvorhabens geklärt werden. So soll das politische Handeln der Eunuchen untersucht und insbesondere nach der Zukunftsorientierung ihres Wirkens gefragt werden. Für die Hofeunuchen stellte die Kontingenz Risiko und Chance zugleich dar. Als sozialen Außenseitern konnte ihnen ein Aufstieg in den innersten Machtzirkel gelingen, der für viele andere Akteure nicht vorstellbar war: Der Eunuch Eutropius erlangte im Jahr 399 die Konsulwürde, ehe er nur wenig später all seiner Ämter enthoben und verbannt wurde. Während die Ernennung zum Konsul von vielen antiken Autoren als unverzeihlicher Normbruch gesehen wurde, illustriert sie zugleich die Möglichkeiten, die die Kaisernähe den Eunuchen bieten konnte.

Es stellt sich daher die Frage, inwieweit sich die Hofeunuchen ihrer Situation und damit auch der Kontingenz bewusst waren und wie sie damit umgingen. Die Betrachtung konzentriert sich räumlich und zeitlich auf das Oströmische Reich im Zeitraum von der faktischen Reichsteilung im Jahr 395 bis zum Jahr 636, mit dem das Ende Ostroms als globale Großmacht einherging. Eine Analyse der politischen Handlungen der Hofeunuchen scheint für das Verständnis der Geschichte Ostroms dabei fundamental wichtig, da sie als bestimmendes Phänomen über den gesamten Zeitraum greifbar sind und die Geschicke des Reichs maßgeblich beeinflussten.