Handreichung zum Umgang mit Forschungsdaten - DFG
Zu dieser Handreichung
Das Fachkollegium 101 („Alte Kulturen“) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat unter Berücksichtigung fachspezifischer Herausforderungen in den Altertumswissenschaften folgende Empfehlungen und Erwartungen zum Umgang mit Forschungsdaten in Anträgen und geförderten Vorhaben formuliert.
Der im August 2019 veröffentlichte Kodex Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis[1] der DFG (im Folgenden „Kodex“) beschreibt den grundsätzlichen Anspruch, der für jedes Forschungsprojekt bezüglich der Qualitätssicherung, Archivierung und Zugänglichmachung der erhobenen und bearbeiteten Daten gilt. Wann immer möglich, so formuliert es der Kodex in allgemeiner Form, sollen Forschungsdaten nach den FAIR-Prinzipien zugänglich gemacht werden (Kodex, Leitlinie 13).
Diese Handreichung des Fachkollegiums soll ergänzend sowohl für die Antragstellung als auch für die Begutachtung als konkrete Orientierungshilfe dienen. Ihre Empfehlungen konkretisieren damit auch die allgemeinen Leitlinien zum Umgang mit Forschungsdaten[2]der DFG und gelten für alle Anträge, die das Fachkollegium „Alte Kulturen“ bewertet.
Forschungsdatenmanagement als integraler Teil von Forschungsvorhaben
Als Forschungsdaten können in den Altertumswissenschaften alle Dokumente, Materialien, Bilder, Texte, Mess- und Auswertungsdaten verstanden werden, die bei der wissenschaftlichen Arbeit verwendet, entwickelt, gesammelt oder ausgewertet werden. Typische Beispiele sind Daten zur Dokumentation archäologischer Artefakt- und Feldforschung oder digital gespeicherte Bild- und Textdaten aus Editionsvorhaben. In diesem weit gefassten Sinn bilden Forschungsdaten für die große Mehrzahl altertumswissenschaftlicher Projekte eine wesentliche Ausgangsbasis und stellen zugleich einen entscheidenden Teil der Forschungsergebnisse dar.
Vielfach stammen die Daten aus Untersuchungen, die prinzipiell gar nicht oder nur sehr eingeschränkt wiederholbar sind (z. B. archäologische Ausgrabungen, Forschung an schwer zugänglichen oder konservatorisch empfindlichen Quellen). Ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen – i. d. R. digital gespeicherten – Daten, vor allem ihre sichere Archivierung und Aufbereitung für eine spätere Überprüfung oder Nachnutzung, sind integrale Bestandteile von Forschungsvorhaben in den Altertumswissenschaften.
Grundsätzlich sind bei der Planung, Durchführung und beim Abschluss von Forschungsprojekten fachübliche Qualitätsstandards zu berücksichtigen (vgl. Kodex, Leitlinie 7). Wenn Standards zum Umgang mit Forschungsdaten durch gängige Praxis oder z. B. durch das Engagement einschlägiger Fachgesellschaften etabliert sind, sollten sich Forschungsprojekte eng daran orientieren und ausdrücklich darauf Bezug nehmen.
In den verschiedenen altertumswissenschaftlichen Fächern sind datenbezogene Standards bislang nur in Einzelfällen etabliert. Es existiert aber eine große Vielfalt verbreiteter und bewährter best practices[3] zum Umgang mit verschiedenen Datentypen.
Es ist selbstverständlich, dass sich Praktiken und Standards dynamisch weiterentwickeln. Bei dieser heterogenen Ausgangslage ist die Qualität der Anträge an die DFG nach den Erfahrungen des Fachkollegiums nur dann möglichst sachgerecht und im Vergleich zu bewerten, wenn auch der Umgang mit Forschungsdaten hinreichend konkret und verbindlich erläutert wird.
Mit den folgenden Hinweisen sollen die Erwartungen dafür klargestellt werden. Die Empfehlungen gelten für alle Anträge, in denen in relevantem Umfang Forschungsdaten – nach der oben angegebenen weiten Definition – erzeugt und/oder bearbeitet werden.
Angaben zum Umgang mit Forschungsdaten in Anträgen an die DFG
Im Antrag sollten – unter Berücksichtigung bestehender Standards und bewährter Praktiken – Angaben zu folgenden fünf Aspekten erfolgen (in Anträgen auf Sachbeihilfe unter dem Punkt 2.4[4] der Beschreibung des Vorhabens). Die Angaben sollten so konkret und verbindlich wie möglich sein, sich aber auf wesentliche Informationen beschränken:
[1] Art und Umfang der Daten sowie vorausgehende rechtliche Klärung
[2] Aufbereitung, Qualitätssicherung und Dokumentation der Daten
[3] Speicherung und Archivierung
[4] Ermöglichung und Regelungen der Nachnutzbarkeit
[5] Verantwortlichkeiten für das Datenmanagement
Wenn z. B. die Art oder Aufbereitung der Daten für die im Vorhaben eingesetzte Methodik sehr relevant sind, so sind selbstverständlich je nach Projektausrichtung auch weitere und detailliertere Angaben im Antrag sinnvoll (z. B. bei der Zielsetzung und im Arbeitsprogramm).
Wenn für den Umgang mit Daten fachspezifisch – auf nationaler oder internationaler Ebene – Standards, einschlägige Richtlinien oder best practices befolgt werden können, kann auf diese ohne ausführliche Erläuterungen verwiesen werden. Aspekte zu [1] bis [5], die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch ungeklärt sind, sind im Antrag als solche hervorzuheben – möglichst mit kurzer Erläuterung, wann und wie diese Klärung erfolgen kann.
Erläuterungen zu den einzelnen Angaben
[1]Art und Umfang der Daten sowie vorausgehende rechtliche Klärung
Zur Beurteilung des Aufwands und ggf. beantragter Kosten für das Datenmanagement sind im Antrag wenigstens summarische Angaben zu Art, Umfang und Diversität der Daten wichtig (geht es um Bild-, Text-, Analysedaten, umfangreiche Datenbanken, z. B. für Geographische Informationssysteme oder Modellierungen? Liegt ein relevanter Anteil der Daten analog vor?).
Wenn bestehende Daten genutzt oder neue erhoben werden sollen, sind rechtliche Fragen vor Antragseinreichung zu klären und Besonderheiten sind im Antrag zu erläutern. Vor allem gilt dies für die Zugänglichkeit zu Beständen von Museen, Bibliotheken und Archiven. Hier sollten die Zugänglichkeit und die Erlaubnis zur Bearbeitung im Sinn des Forschungsvorhabens vor der Antragstellung verbindlich geklärt sein. Ggf. sind Unterlagen zur Dokumentation der rechtlichen Klärung dem Antrag beizufügen. Offene Fragen oder besondere Herausforderungen müssen ausdrücklich erläutert werden (z. B. welche Genehmigung steht noch aus? Gibt es ggf. Fristen oder weitere Bedingungen für Erlaubniserteilungen?).
[2] Aufbereitung, Qualitätssicherung und Dokumentation der Daten
Sofern der Umgang mit den Daten nicht bereits im Arbeitsprogramm detaillierter beschrieben ist, sollten wesentliche Schritte zur Aufbereitung, Qualitätssicherung und Dokumentation der Daten (z. B. durch Metadaten) im Antrag kurz erläutert werden. Die Orientierung an einschlägigen Standards und best practices ist ausdrücklich zu bestätigen. Dabei sind sowohl Angaben zur technischen als auch inhaltlichen Kompatibilität wichtig (s. auch [3] und [4]). Sind bislang keine Standards vorhanden, sollte auch dies erwähnt werden.
Es wird erwartet, dass für die Umsetzung datenintensiver Projekte ein Datenmanagementplan[5] erstellt und befolgt wird. Zur Information kann dieser dem Antrag beigefügt werden, der Plan selbst ist jedoch nicht Gegenstand der Begutachtung.
Zusätzlicher Hinweis: Wenn zur Datenbearbeitung Datenbankanwendungen oder andere digitale Werkzeuge zum Einsatz kommen, sollte geprüft werden, ob bestehende Lösungen übernommen und/oder angepasst werden können. Eine aufwändige Neuentwicklung von Werkzeugen muss begründet werden und ist auch im Arbeitsprogramm zu erläutern.
[3] Speicherung und Archivierung
Im Antrag sollte erläutert werden, wie die Speicherung und Archivierung der Daten erfolgt und welcher Teil der Daten als archivwürdig angesehen wird. Sofern hierzu bestehende Vorgaben der jeweiligen Forschungseinrichtung zu beachten sind, sollten diese erwähnt werden. Generell ist für Forschungsdaten aus allen DFG-geförderten Vorhaben eine Archivierung für zehn Jahre verpflichtend (Kodex, Leitlinie 17). Dies schließt sowohl die analog wie digital vorliegenden Daten ein. Darüber hinaus ist für Daten aus altertumswissenschaftlichen Forschungsvorhaben eine möglichst langfristige Archivierung[6] anzustreben. Für folgende Daten ist unbedingt eine Langzeitarchivierung vorzusehen, da eine Archivwürdigkeit unmittelbar gegeben ist:
- Daten zur Dokumentation archäologischer Ausgrabungen und Surveys
- Daten zu (auch nicht-invasiven) Materialanalysen archäologischer Artefakte und Proben
- Daten aus Editionsvorhaben und Materialvorlagen (Volltext, Fotos, Zeichnungen etc.)
Die Archivierung der digitalen Daten sollte in zertifizierten Repositorien oder Datenzentren erfolgen. Zurzeit gibt es in Deutschland kein Repositorium, das institutionenübergreifend auf die Bedürfnisse der Altertumswissenschaften (insbesondere der archäologischen Feldforschung) ausgerichtet ist. Solange im Rahmen der Nationalen Forschungsdaten-Infrastruktur (NFDI) kein fachlich einschlägiges Service-Angebot besteht, sind Alternativen zur Datenarchivierung zu wählen (z. B. Service der institutionellen Rechenzentren).
Zusätzlicher Hinweis: Es wird empfohlen, frühzeitig Kontakt zu Serviceeinrichtungen (Rechenzentren, Bibliotheken, Datenarchive, eScience-Center) aufzunehmen und diese bei entsprechend großem Bedarf als Kooperationspartner in die Projektplanung mit einzubeziehen.
Um eine spätere Nutzung der Daten zu ermöglichen (s. auch [4]), sind archivfähige Formate[7] zu verwenden. Auch hierfür ist eine frühzeitige Beratung durch Serviceanbieter hilfreich.
[4] Ermöglichung und Regelungen der Nachnutzbarkeit
Damit Forschungsergebnisse überprüfbar und die Daten nachnutzbar sind, ist nicht nur die Archivierung wesentlich, sondern es sollte möglichst auch ein verlässlicher Zugang zu den Daten gewährt werden (s. Kodex, Leitlinie 13). Die Planungen zu einer Bereitstellung und eindeutigen Referenzierung der Daten (Zitierbarkeit digitaler Daten) sind im Antrag anzugeben.
Grundsätzlich ist ein möglichst vollständiger Zugang zu den Daten angestrebt (nicht nur selektiv bezogen auf einzelne Publikationen). Es sollte angegeben sein, welcher Teil, ggf. welche Version der Daten zu welchem Zeitpunkt verfügbar gemacht wird (was ist archivwürdig und ist damit auch für eine Prüfung der Nachvollziehbarkeit und/oder Nachnutzung vorzusehen). Bei Projekten, die eine Vorlage von archäologischen Befunden, Artefakten oder die Erstellung einer Text- oder Bildedition beinhalten, sollte der Zugang zu den Daten so früh wie möglich gewährt werden – spätestens jedoch im Zusammenhang mit der Publikation der Ergebnisse und auf keinen Fall später als wenige Jahre nach dem Abschluss des Forschungsprojekts.
Die Zugangs- und Nutzungsbedingungen (zu analogen wie digitalen Daten) sollten verbindlich geregelt sein. Für wissenschaftliche Zwecke sollte ein kostenfreier Zugang zur digitalen Nachnutzung der Daten ermöglicht werden (nicht nur Einsicht in die Daten). Wenn ausnahmsweise kein Zugang zur Nachnutzung gewährt werden soll oder der Zugang (auch teilweise) eingeschränkt bleibt (z. B. kein online-Zugang), ist dies im Antrag zu begründen. Falls dies für die Daten relevant ist, sind Aspekte des Datenschutzes oder forschungsethische Aspekte zu benennen, die einem unbeschränkten Zugang für wissenschaftliche Zwecke entgegenstehen.
Zusätzlicher Hinweis: Auch für die Bereitstellung von Daten gilt, dass die Nutzung bzw. Übernahme und Anpassung bereits existierender digitaler Werkzeuge empfohlen wird. Die aufwändige Neuentwicklung von Bereitstellungswerkzeugen im Rahmen eines Forschungsprojekts muss begründet werden und ist im Arbeitsprogramm zu erläutern.
[5] Verantwortlichkeiten für das Datenmanagement
Im Antrag sollte benannt sein, wer im Projekt für den Umgang mit Forschungsdaten zuständig ist und bei wem die Verantwortung für die Archivierung und Bereitstellung nach Ende des Vorhabens liegen wird. Bei der Ablage in zertifizierten Repositorien, in Archiven und Datenzentren in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft reicht eine Erklärung der Institution aus.
Beratung durch die Geschäftsstelle
Die DFG unterstützt den verantwortungsvollen Umgang mit Forschungsdaten durch die Übernahme projektspezifischer Kosten – auch für die Vorbereitung und Initiierung der Archivierung. Wenn bei der Vorbereitung von Anträgen in den Altertumswissenschaften Beratungsbedarf zum Umgang mit Forschungsdaten besteht, wenden Sie sich in der DFG-Geschäftsstelle an: Dr. Christoph Kümmel (
Stand · 31.03.2020 DFG
[1] https://www.dfg.de/foerderung/grundlagen_rahmenbedingungen/gwp/index.html[2] https://www.dfg.de/foerderung/antrag_gutachter_gremien/antragstellende/nachnutzung_forschungsdaten/
[3] Beispiele: Im EU-Projekt ARCHES wurden Richtlinien für die Archivierung archäologischer Daten erarbeitet (https://www.europae-archaeologiae-consilium.org/eac-guidlines); Hinweise für den Umgang mit archäologischen Daten sind auch im Rahmen des DFG-geförderte Projekts IANUS am Deutschen Archäologischen Institut entstanden: https://www.ianus-fdz.de/it-empfehlungen/. Aktualisierte Hinweise finden sich in den Guides to Good Practice des Archaeological Data Service, UK (https://guides.archaeologydataservice.ac.uk/g2gp/Main).
[4] Allgemein s. auch den Leitfaden für die Antragstellung: http://www.dfg.de/formulare/54_01/54_01_de.pdf.
[5]Allgemeine Hinweise hierzu auf https://www.forschungsdaten.org/index.php/Data_Management_Pl%C3%A4ne und https://www.forschungsdaten.info/themen/planen-und-strukturieren/datenmanagementplan/.
[6] In vielen Fällen sind ohnehin auch die gesetzlichen Bestimmungen zur Archivierung von Dokumentationsdaten, z. B. die im betreffenden Land geltenden Denkmalschutzgesetze, zu beachten. Insofern sind die hier formulierten Empfehlungen als Mindeststandards anzusehen.
[7] Zur archivfähigen Aufbereitung von Daten s. die „IT-Empfehlungen“ des IANUS-Projekts (oben Anm. 3).